Für Berlin-Versteher und alle, die es noch werden wollen
So tauften die Berliner diese Architektur-Ikone der 1970er Jahre an der Schloßstraße in Steglitz schon während der Bauphase. Während die Architekten einen Baum assoziierten, erkannten die unbestechlichen Berliner ganz klar einen Rasierpinsel.
Mal stand er leer, dann zog das Turmrestaurant ein, später ein Bier- und Weingewölbe, dann wieder Leerstand, danach eine Diskothek und Sportbar. Während der Nutzung als Kunstcafé 2010 wurde die Fassade von Streetart-Künstlern bunt gestaltet. Seit 2017 steht der Bierpinsel unter Denkmalschutz.
Der neue Eigentümer plant eine Mischnutzung mit Büros und Gastronomie nach Modernisierung, und anders als das Landesdenkmalamt möchte er die ursprünglich rote Fassadenfarbe nicht wiederherstellen, sondern lieber begrünen. Das klingt ganz so, als würde der Bierpinsel noch ein paar weitere Jahre leer stehen.
“Oben watt, unten watt und inner Mitte nüscht” – so beschreiben Berliner einen Bikini, die zweiteilige Badekleidung für Damen. Und so auch das denkmalgeschützte Gebäude an der Budapester Straße in Charlottenburg. Als Teil der neuen City West wurde es 1955 mit einem Luftgeschoss errichtet. Dieses trennte die Ladenflächen im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss von den Produktionsstätten im 3. bis 5. Obergeschoss. Die Aufteilung wie beim Bikini haben die Berliner schnell erkannt: oben watt nähen, unten dit Jenähte verkoofen und inner Mitte nüscht. Das Gebäude heißt längst ganz offiziell Bikini Berlin und bietet neben Shops für Mode, Kunst und Kosmetik einen Food Court und eine 7.000 Quadratmeter große Dachterrasse mit Blick auf Gedächtniskirche und Zoo.
Der Gebäudekomplex im Ortsteil Wittenau, der zwischen 1880 und 2006 eine psychiatrische Klinik unter verschiedenen Namen war - zum Beispiel Wittenauer Heilstätten oder auch Irrenanstalt Dalldorf - heißt heute Humboldt-Klinikum am Standort Oranienburger Straße.
1957 erfolgte die Umbenennung in Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik zu Ehren des verstorbenen Psychiatrieprofessors der Berliner Charité, Karl Bonhoeffer, der zwischen 1946 bis 1948 in der Nervenklinik Dirigierender Arzt war.
Der Spitzname Bonnies Ranch tauchte erst in den 1970er Jahren auf, angelehnt an den Namensgeber und das weitläufige, parkähnliche Gelände, auf dem die Klinik stand. Über Berlins und gar Deutschlands Grenzen hinaus wurde Bonnies Ranch vor allem durch das Buch ‚Wir Kinder vom Bahnhof Zoo‘ bekannt. Die Autorin Christiane F. war hier, wie viele Drogensüchtige Berlins zu dieser Zeit, zum Heroinentzug untergebracht.
Das Café Achteck ist eigentlich ein Ort, an dem man den Kaffee wieder loswird, nämlich ein öffentliches Pissoir. 1876 entwarf der Stadtbaudirektor Carl Theodor Rosputt die ‚moderne Bedürfnisanstalt‘ aus grün angestrichenem Gusseisen mit einem achteckigen Grundriss.
1920 gab es davon 142 Stück, heute sind sie aus dem Stadtbild fast verschwunden. Etwa 30 sollen noch existieren, die meisten allerdings nicht mehr in Betrieb oder unter Denkmalschutz. Eines davon steht am Rüdesheimer Platz (am „Rüdi“) im Ortsteil Wilmersdorf und listet bei den Google-Rezensionen mit stolzen 4,8 von 5 Punkten.
Das klingt erst mal nach einem gemütlichen Ostberliner Leuchtmittelgeschäft mit guter Beratung und Glühbirnen auf Vorrat. In Wahrheit war damit aber der Palast der Republik in Berlin-Mitte gemeint, das einstige Prunkstück der DDR am Marx-Engels-Forum.
Der Spitzname entstand wegen der riesigen Glasfassade und der unzähligen Kronleuchter im Inneren – über 1.000 Leuchten glitzerten dort wie ein ganzer Luster-Katalog auf Speed. Und weil das Ganze unter der Ägide von Erich Honecker eröffnet wurde, war „Erichs Lampenladen“ schnell geboren.
Drinnen gab’s nicht nur Volkskammer, sondern auch Bowlingbahn, Disko und Gaststätte – Sozialismus zum Anfassen mit Leberwurst und Westblick. Nach der Wende kam das Aus: Asbest, Abriss, Aufregung. Heute steht dort das rekonstruierte Berliner Stadtschloss – weniger Lampen, mehr Barock. Doch in vielen Herzen flackert Erichs Lampenladen weiter als leuchtendes Symbol ostdeutscher Baukultur und Nostalgie.
Nicht die Siegessäule ist damit gemeint, sondern die Bronzefigur, die draufsteht: die römische Siegesgöttin Victoria, mit feinstem Blattgold überzogen, über 8 Meter hoch und 35 Tonnen schwer. Zu viel Pomp und Pathos für die Berliner, die sie umgehend liebevoll-volksnah in Goldelse umtauften. Dies war nämlich der Titel eines damals sehr populären Romans von E. Marlitt und Spitzname seiner blonden Hauptfigur Elisabeth. Ursprünglich stand Goldelse mit ihrer Siegessäule auf der Wiese vor dem heutigen Reichstagsgebäude. Als die Nationalsozialisten mit der Umgestaltung Berlins zur „Welthauptstadt Germania“ begannen, wurde sie 1938 zum Großen Stern in den Tiergarten versetzt. Hier, an der Straße des 17. Juni, ist Goldelse immer ganz nah am Volk bei Demonstrationen, Flohmarkt, Love Parade, Fanmeile oder bei Barack Obamas Wahlkampfrede 2008 mit 200.000 Menschen.
Eigentlich Kottbusser Tor, das aber – Überraschung! – gar kein Tor ist, sondern eine vollgestopfte Straßenkreuzung oder eben der Name des dortigen U-Bahnhofs.
Zentraler Verkehrsknotenpunkt in Kreuzberg, gleichzeitig dicht besiedeltes Wohngebiet. Reich an Bars, Clubs, Lokalen und Kinos, aber auch an Drogen und Gewalt.
Seit den 2010er Jahren vom Berliner Senat als ‚Gebiet mit besonderem Entwicklungsbedarf‘ ausgewiesen. Im Mai 2025 hat die BVG den U-Bahnhof Kottbusser Tor zum ‚Innovationsbahnhof‘ erklärt, um Maßnahmen für mehr Sicherheit und Sauberkeit zu testen.
Der Kutschi - manche nennen ihn auch den ‚Kotti des Nordens‘ (nur halt nicht so kultig) - ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt im Ortsteil Reinickendorf im gleichnamigen Berliner Bezirk. Benannt nach dem Sozialdemokraten Kurt Schumacher, der nach Kriegsende am Wiederaufbau der SPD maßgeblich beteiligt war.
1989 erhielt der Kutschi ein Makeover und 'Vier Wassertempel' - eine Brunnenanlage mit je vier Meter hohen Betonsäulen, von den Berliner umgehend zu 'Duschkabinen' umbenannt.
Wirklich urban ist der Kutschi nie geworden, auch nicht nach Stilllegung des Flughafens in Tegel 2020: dafür fehlen echte Bewohner rund um die etwas uninspirierte Anhäufung von Tankstellen, Baumarkt und Fastfood-Filialen. Das wird sich hoffentlich bald ändern: an seinem westlichen Rand soll nach den Plänen des Senats ab 2026 das 'Schumacher Quartier' entstehen und mit 5.000 Wohnungen in Holzbauweise wegweisend für den Wohnungsbau in Europa werden.
Wer in Berlin „Mäusetunnel“ sagt, meint kein Tierlabor, sondern eine ganz spezielle Unterführung am U-Bahnhof Stadtmitte. Der Spitzname entstand durch das enge, dunkle, verwinkelte Bauwerk, das Passanten wie Mäuse durch ein unterirdisches Labyrinth schickte. Jahrzehntelang diente der Tunnel als Umsteigeverbindung zwischen U- und S-Bahn – praktisch, aber alles andere als charmant. Die grauen Wände, die niedrige Decke und der ewige Mief machten ihn zu einem Berlin-Klischee der etwas anderen Art.
Trotz seines zweifelhaften Rufs wurde er heiß geliebt – oder heiß verflucht. Touristen verirrten sich regelmäßig, Berlinerinnen fluchten leise und gingen trotzdem hindurch. Inzwischen hat sich das Bild gewandelt: Der Tunnel wurde im Zuge der Umbauten größtenteils geschlossen oder umgebaut. Wo einst Beton und Neon flimmerten, entstehen jetzt hellere, modernere Wege. Der Mäusetunnel ist (fast) Geschichte – aber als Berliner Kuriosität bleibt er unvergessen.
Das Anagramm aus Oberschöneweide, einem Ortsteil im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, beschönigt nichts und wird nach wie vor rege benutzt. Lokführer der S-Bahn sagen diese Haltestelle heute noch gerne so an: Oberschweineöde.
Um die Jahrhundertwende war der Ortsteil ein industrieller Top-Standort, der dafür sorgte, dass bereits 1905 mehr Elektroautos als Verbrennermotoren durch Berlin fuhren. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Oberschöneweide zur sowjetischen Besatzungszone: alle nicht zerstörten Produktionsstätten wurden demontiert, die Industriebetriebe enteignet, Wohnhäuser verfielen. Der triste Ortsteil erhielt daher in den letzten Atemzügen der DDR seinen Spitznamen: Oberschweineöde.
Der Kiez ist mittlerweile aber wieder im Kommen: seit 2006 wird der Standort - vor allem mit EU-Mitteln – zu einem modernen Quartier entwickelt. Mit dem Campus Wilhelminenhof der HTW Berlin verjüngen Studierende den ehemaligen Arbeiterbezirk zu einem Zukunftsort, daneben sorgt der der Freizeitpark Wuhlheide mit seiner Konzert-Waldbühne für internationales Flair: eben oberschweineangesagt.
Ja, Sie haben richtig gelesen. So nennt der Berliner Volksmund liebevoll-derb eine auffällige Skulptur auf einem Hochhaus in Friedrichshain, direkt am Bahnhof Ostkreuz. Was aussieht wie ein überdimensionaler, stilisierter Phallus, ragt aus dem Dach eines alten Wasserturms – und sorgt seit Jahren für Schmunzeln, Stirnrunzeln und Selfies.
Früher nannte man das Ding etwas feiner die „Preußische Pickelhaube“, wegen der spitzen Form und dem leicht militärisch anmutenden Design. Doch die Berliner Direktheit setzte sich durch, und so wurde aus dem Pickelhelm der Pimmel vom Ostkreuz.
Was der Künstler sich dabei dachte? Darüber schweigt sich das Kunstwerk aus – vielleicht auch besser so. Fakt ist: Der Ostkreuzpimmel gehört inzwischen zum Panorama von Friedrichshain wie der Club nebenan oder der Späti an der Ecke. Ein echtes Wahrzeichen mit Augenzwinkern – ganz Berlin eben.
Der Te-Damm aka Tempelhofer Damm ist eine bedeutende Nord-Süd-Verbindung in Berlin. Als Teil der B96 verbindet er die Ortsteile Kreuzberg, Tempelhof und Mariendorf.
Der Name ‚Tempelhof‘ selbst geht auf den mittelalterlichen Ritterorden der Tempelritter zurück, denen das Gebiet im 13. Jahrhundert überlassen wurde. Heute ist der Te-Damm eine Hauptverkehrsstraße und zentraler Bestandteil des städtischen Lebens in Tempelhof, nicht zuletzt durch seine Nähe zum Tempelhofer Feld. Obwohl in einem Volksentscheid von 2014 die wahlberechtigten Berlinerinnen und Berliner mehrheitlich gegen eine Bebauung stimmten, wird bis heute über seine Nutzung diskutiert.
Aktuell sind umfangreiche Infrastrukturprojekte geplant, um den Te-Damm langfristig in eine moderne und multifunktional vernetzte urban-grüne Lebensachse zu verwandeln.
Ein Name wie aus einem traurigen Liebesroman, doch dahinter steckt ein sehr realer Ort voller Abschiede und Abschiedsschmerz. So wurde das moderne Glasgebäude am Berliner Bahnhof Friedrichstraße in Mitte genannt, das zu DDR-Zeiten der Grenzübergang für Ausreisende in den Westen war.
Hier flossen Tränen – von Familien, die sich verabschiedeten, ohne zu wissen, wann oder ob sie sich je wiedersahen. Wer rüber durfte, ging durch; wer bleiben musste, winkte hinter Glas. Offiziell hieß das Ganze sachlich „Abfertigungshalle für den Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße“, aber das Herz der Berliner:innen nannte es: Tränenpalast.
Nach der Wende wurde aus dem Ort der Trennung ein Ort der Erinnerung. Heute ist er Museum und Mahnmal – Eintritt frei, Emotionen inklusive. Der Tränenpalast ist kein Palast aus Prunk, sondern aus Geschichten – leise, ehrlich und tief berlinisch.